Weihnachts-Ansprache von Pfarrer Wagner (Newsletter Nr. 67)

Liebe Schwestern und Brüder im Herrn!

„Unterm Strich zähl‘ ich“ – mit diesem Satz hat die Postbank lange Jahre geworben und damit den Ego-Trip sozusagen als Lebenshaltung definiert und weitergetragen. Da stört sich einer am Bau eines Stadions auf der grünen Wiese, weil er es nicht ertragen kann, dass dort an einer Handvoll Tage im Jahr es abends etwas lauter werden könnte. Da beklagen sich Anwohner über den angeblichen „Lärm“ von Kirchenglocken. Was ist schon Glaube oder kulturelles Erbe, wenn es um das persönliche Wohlbefinden geht?

Und in diesem Jahr, in dem die ganze Welt unter der Corona-Pandemie stöhnt und leidet? Da weigert sich einer eine Maske zu tragen, weil ihm das lästig ist. Da protestiert ein anderer gegen Einschränkungen des Lebens, weil er gerade nicht so feiern kann, wie er möchte. „Unterm Strich zähl‘ ich!“

Und wie geht es uns hier, als Christen, an einem Weihnachtsfest, an dem wir auch in der Kirche auf so vieles verzichten müssen, von dem wir doch selbstverständlich glaubten, dass es dazu gehöre: gemütlich, behaglich, familiär – so sollte es doch sein!

Stellen Sie sich folgende Szene vor: Der Engel Gabriel kommt zu Maria und kündigt ihr an, sie werde einen Sohn bekommen. Maria antwortet: „Unverheiratet schwanger? Bloß das nicht. Dann wäre ich erledigt. Nein, ich will mein normales Leben weiterführen!“

Oder die andere Szene: Der Engel erscheint den Hirten und verkündet ihnen, dass sie den Retter finden in einem Stall, in einer Krippe. Und die Hirten sagen: „Na großartig! Wir sollen unsere Herden allein lassen und nach Bethlehem laufen, um uns ein Wickelkind anzuschauen? Nein, da bleiben wir lieber hier bei unserer normalen Arbeit“.

Was aber ist unsere Normalität? Immer wieder heißt es ja, irgendwann werden wir wieder zur Normalität zurückkehren, wenn die Seuche es zulässt. Oder meinen wir damit nicht eher die Rückkehr in den Komfort des Gewohnten?

Was aber ist jetzt gerade unsere Normalität? In unseren Breiten ist es vielleicht die Angst vor Ansteckung, der Verlust des Verdienstes oder der Arbeit, die Vereinsamung von Menschen.

Und anderswo? Ein Großteil der Menschen auf dieser Welt lebt in Armut. Ihre Normalität heißt Hunger, Krankheit, Krieg, Lebensgefahr, Flucht.

Weihnachten jedenfalls hat nichts mit Normalität zu tun. Maria sagt JA zur Botschaft des Engels. Sie akzeptiert das Geschehen als Handeln Gottes. Und die Hirten lassen sich die nächtliche Ruhestörung vom Himmel her gefallen, lassen sich ein auf das Eingreifen Gottes und nehmen eine übergroße Freude mit in ihren tristen und mühsamen Alltag.

Liebe Mitchristen!

Der Theologe Johann Baptist Metz hat einmal gesagt: „Die kürzeste Definition von Religion ist Unterbrechung!“Ja, Weihnachten ist das Ende der Normalität, die Ruhestörung und Unterbrechung schlechthin. Weihnachten ist das Fest der Erlösung aus dem Dunkel der Welt. So gesehen wird dieses Fest auch nicht von einer dunklen Zeit beeinträchtigt, sondern bekommt dadurch vielleicht erst seine Leuchtkraft. Wenn wir unsere Erlösung feiern, dann passt dieses Fest doch in unsere derzeitige Situation wie schon lange nicht mehr.

Natürlich, wir leben in einer Krise, wie sie sehr, sehr viele Menschen noch nie erlebt haben. Und nicht wenige Christen stellen die uralte Frage des Menschen: „Gott, wo bist du?“ Die Heilige Nacht ist für manchen vielleicht auch zu einer dunklen Nacht des Zweifels geworden.

Aber vielleicht werden wir in diesem unnormalen Jahr bereiter als sonst, das Unnormale der Weihnachtsbotschaft tiefer in unser Herz zu lassen als sonst: Dass Gott inmitten einer Welt des Unrechts, der Gewalt, der Ausbeutung und Not einen neuen Anfang setzt. Er fängt klein und unscheinbar damit an – in einem kleinen Kind. Er fängt immer wieder damit an – auch mit mir! Aber ohne diesen Anfang gibt es keine Rettung der Welt.

Und hat die Krise, in der wir stehen, nicht auch das gezeigt: Zahllose Menschen engagieren sich für andere mit viel Kreativität und Phantasie. Zahllose Menschen sind einfach da, wenn sie gebraucht werden. Zahllose Christen versuchen, den Glauben und die Feier des Gottesdienstes aufrecht zu erhalten – auch zu Hause, wieder neu in ihren Familien zu beten, die Bibel zu lesen, mit ihren Kindern über Gott zu sprechen.

„Und das Wort ist Fleisch geworden“, schreibt Johannes. Ja, Gott bekommt Hand und Fuß, auch durch uns! Gott will lebendig werden in unserem Alltag.

Darum nicht mehr „Unterm Strich zähl‘ ich“ im Sinne eines Ego-Trips, sondern „Unterm Strich zähl‘ ich“ als der Mensch, für den Gott Mensch geworden ist und durch den er das auch für andere Menschen werden will.

Heute ist dir und mir der Heiland geboren! Amen.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen,
im Namen des gesamten Pfarrteams von St. Paul – St. Josef,

ein frohmachendes und gesegnetes Weihnachtsfest!

In Verbundenheit,
Ihr Pfarrer Horst Wagner

 

Gerne weisen wir noch einmal auf das heutige “Abendlob” hin.
Wir wollen es – jeder von Zuhause – um 17.00 Uhr feiern.
Hier der Link dazu: https://st-paul-josef-regensburg.de/?p=5449